Das Lead-User-Konzept im Innovationsprozess
Zahlreiche Innovationen scheitern heutzutage, weil ein komplexer sowie mühsamer Entwicklungs- und Innovationsprozess in vielen Unternehmen ein großes Potential für die Gefahr des Scheiterns hat. Erfahrungsgemäß erkennen viele Betriebe diesen Vorgang unglücklicherweise viel zu spät. Das heißt, wenn bereits sehr viel Arbeit, Geld und Energie in das Produkt oder die Dienstleistung investiert wurde. Das Lead-User-Konzept setzt an dieser Stelle an. Lead User, die am Entwicklungsprozess mitwirken, vermindern die Möglichkeit des Misserfolges um ein Vielfaches. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag alles um das Thema des Lead-User-Konzeptes und welche steigende Bedeutung dieses im Innovationsprozess hat.
Wer oder was ist ein Lead User?
Lead User können in erster Linie sowohl Privatpersonen, ExpertInnen oder aber auch Unternehmen und Organisationen sein. Sie sind – zu Deutsch – „fortschrittliche NutzerInnen“ oder AnwenderInnen, die sich intensiv mit einer Bedürfnisbefriedigung beziehungsweise einer Problemlösung beschäftigen, und am Prozess des Innovationsmanagements mitwirken. Dies geschieht, indem sie in die Entwicklung oder in die kontinuierliche Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen involviert werden. Kooperationen zwischen Unternehmen und qualifizierten KonsumentInnen sind die Folge, bei denen Vorteile für beide Parteien erzielt werden können, denn das Lead-User-Konzept ist ein organisatorischer Prozess, mit dem Unternehmen ihre Ideengenerierung durchaus optimieren können. Das Lead-User-Konzept fungiert, anders gesagt, als eine Art externe Forschungsabteilung, bei der ständig neue Entwicklungen das Ziel sind.
Gibt es namhafte Beispiele für diese Konzeption? Durchaus! Ein sehr bekanntes Beispiel für eine Innovation durch KonsumentInnen ist beispielsweise Tipp-Ex, das Ende der 50er Jahre von einer Sekretärin erfunden wurde, und heutzutage millionenfach industriell produziert wird. Auf Hawaii erfanden beispielsweise Surfer die Fußschlaufe, nachdem sie das Surfbrett nach jedem Sprung verloren. Kitesurfen entstand ebenfalls aus einer Idee von Surfern, die nebst ihrer Sportart die Höhe der Sprunghaft verbessern wollten. Der Sport des Drachenfliegens oder Paraglidings wurde hinzugezogen, sodass im Kitesurfen beide Welten miteinander verschmelzen konnten.
„Neue Produkte und Dienstleistungen aus Unternehmenslabors sind gut, Innovationen von Nutzern jedoch oft besser. Statt allein auf die eigene Forschung zu vertrauen, sollten Unternehmen lieber auf Lead User setzen. Sie sind den Markttrends voraus und teilen ihre Erfindungen gern – aus Eigennutz.” (Eric von Hippel, Ökonom & Professor an dem MIT Sloan School of Management)
Die Anwendung des Lead-User-Konzeptes
Wie lässt sich das Lead-User-Konzept in Unternehmen anwenden? Nach Reichwald und Piller (2006), welche beide Professoren beziehungsweise Autoren sind, die Wirtschaftswissenschaften und Technologie- sowie Innovationsmanagement lehren, lässt sich das Konzept in 4 Prozessstufen unterteilen:
- Projekt initiieren: interdisziplinäres Team zusammenstellen, Zielmarkt bestimmen und die Projektziele definieren
- Screening von Markttrends, um Felder für mögliche Innovationen zu bestimmen (beispielsweise durch eine “Szenario-Analyse"), Interviews mit Marktexperten, Selektion der wichtigsten Trends
- Lead User für den definierten Bereich identifizieren, Networking-Suche in analogen Märkten und Usern im Zielmarkt betreiben
- Mit diesen Lead Usern interagieren
(beispielsweise in Workshops oder virtuell über Plattformen), Weiterentwicklung der Ideen, Dokumentation und Bewertung der Konzepte
Innovationserfolg durch Kundenorientierung?!
User Innovation bedeutet, dass KundInnen als Initiator und als aktiv Beteiligte am Innovationserfolg mitwirken können. Eine konsequente Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse widerspricht sicherlich den Bestrebungen einer konservativen Innovationspolitik, jedoch ist gerade das auch eine der vielversprechendsten Möglichkeiten, um innovative und vor allem nicht mehr nur traditionelle Wege einzuschlagen. Kurz gesagt: innovatives Potential kann mit Hilfe des Lead-User-Konzeptes und qualifizierten KundInnen sehr erfolgsversprechend sein. KundInnen werden nach dieser Methode zur Quelle der Bedürfnisinformation und Unternehmen transformieren sich zum Ort der Lösungsinformation, denn Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Innovationen heutzutage ihren Ursprung nicht in einem „Hersteller-Unternehmen“ haben, sondern das Resultat eines interaktiven Prozesses und dem Austausch zwischen dem Hersteller und dem Markt sind. Das Ziel ist hierbei ganz simpel definiert: Unternehmen möchten das kreative Potential von unternehmensexternen Quellen bestmöglich nutzen, damit wenig erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen von vornherein als Flops erkannt und verhindert werden. Gleichzeitig geht es natürlich darum, dass potentielle Chancen für erfolgversprechende Produkte und Dienstleistungen ebenfalls gesichtet und vorangetrieben werden.
Ist das Lead-User-Konzept demnach empfehlenswert?
Das ist es in der Tat! Unternehmen stehen heutzutage in einem ständigen Wettbewerb. Neue Produkte, Dienstleistungen oder auch Prozesse zu entwickeln, ist zum einen sehr teuer und zum anderen auch sehr zeitaufwendig. In herkömmlichen Betrieben identifizieren MarktforscherInnen die Bedürfnisse der KundInnen während IngenieurInnen anschließend die Produkte entwickeln. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass nur sie allein die neuesten Innovationen und Ideen auf den Markt bringen können. Diese Denkweise entspricht nicht mehr dem heutigen Standard. Das unternehmensinterne Wissen kann durchaus um externes Wissen und Know-How in wesentlichen Bereichen ergänzt werden, sofern es natürlich richtig und am korrekten Platz eingesetzt wird. Neue Produkte und Dienstleistungen müssen den Nutzerbedürfnissen und damit der Marktnachfrage entsprechen. Und um dies zu erreichen, gehen Unternehmen auf die Hinweise und Ideen der eigenen KundInnen ein – den sogenannten Lead Usern, welche die Verbesserung und Optimierung von Produkten und Dienstleistungen ergänzen und perfektionieren können. Innovation sollte keine Grenzen kennen, denn die beste Methode eine gute Idee zu haben, besteht darin, viele gute Ideen zu haben.