Vertrieb digitalisieren – Herausforderungen und Möglichkeiten
Der Transfer analoger in digitale Abläufe ist ein Prozess, der bereits seit mehreren Jahrzehnten abläuft und nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst hat. Schon seit den 90er-Jahren setzten Vertriebler beispielsweise auf den Einsatz von Customer-Relation-Management-Systemen (CRM-Systemen) und spätestens ein Jahrzehnt später etablierten sich flächendeckend Online-Shops, die den Einzelhandel revolutionierten. Trotz dieser und anderer Entwicklungen blieben die Grundpfeiler des Vertriebs – insbesondere im B2B-Bereich – jedoch unverändert das persönliche Kundengespräch direkt vor Ort und die Kaltakquise auf Messen und Veranstaltungen.
Die Corona-Pandemie zwang im Zuge der Kontaktbeschränkungen viele Unternehmen, neue Strategien im Vertrieb zu entwickeln, die auch auf Distanz überzeugen können und einen Ersatz für das Gespräch in Persona bieten. Unternehmen, die diese neuen und nachhaltigen Veränderungen ignorieren, laufen nun Gefahr, den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren, während die Digitalisierung ihren Mitbewerbern eine Gelegenheit bietet, an ihnen vorbeizuziehen.
In diesem Artikel fassen wir übersichtsweise für Sie zusammen, welche Herausforderungen sich durch die Digitalisierung im Vertrieb ergeben und wie Unternehmen von den neuen Möglichkeiten profitieren können. Dabei werden zusätzlich die wichtigsten Stellschrauben genannt, die eine gelungene Transformation der Vertriebsabteilung bedingen.
Herausforderungen der Digitalisierung
Die disruptiven Veränderungen des modernen Vertriebs stellen Verkäufer heute vor enorme Herausforderungen, die vor allem auf drei Ebenen ablaufen. Erstens wandelt sich die Konkurrenzbeziehung zu Mitbewerbern, zweitens entsteht ein neues Verständnis von Kundenservice und Produktpräsentation und drittens setzen innovative technische Möglichkeiten das Sales Team einem hohen Anpassungsdruck aus.
Kunden
Informationssymmetrie
Die wichtigste Veränderung des digitalen Zeitalters stellt wahrscheinlich die Verschiebung der Informationshoheit von den Vertriebsmitarbeitern hin zum Kunden dar. Mithilfe des Internets können diese mit geringem Aufwand mindestens genauso viele Informationen über Unternehmen, Produktportfolios und Konkurrenzangebote beziehen wie das zuständige Sales Team.
Durch diese Informationssymmetrie fällt die Kaufentscheidung des Kunden oft schon vor dem eigentlichen Verkaufsgespräch, sodass Vertrieblern wenig Spielraum geboten wird, um Interessenten von den eigenen Angeboten zu überzeugen. Die Sales-Abteilung ist deshalb auf eine gute Vorarbeit des Marketings angewiesen und hat den Erfolg des Verkaufs scheinbar weniger stark in der eigenen Hand.
Ansprechbarkeit
Mit einer größeren Informationsvielfalt einher geht bei Kunden oft der Wunsch, den Vertrieb innerhalb kürzester Zeit und auf verschiedensten Wegen erreichen zu können. Dabei reicht die Möglichkeit der Kontaktaufnahme via Telefon und E-Mail – insbesondere im B2C-Bereich – häufig nicht aus, um alle Interessenten anzusprechen. Hier kann die Etablierung eines Live-Chats – womöglich unter Verwendung automatisierter Chat-Bots – sowie das Angebot zur Ansprache über unternehmenseigene Social-Media-Kanäle gefordert sein.
Verlust des Kundenkontakts
Durch die stärkere Verlagerung der Kommunikation vom direkten Gespräch hin in digitale Formate, entsteht schnell der Eindruck, die zwischenmenschlichen Beziehungen und den direkten Draht zum Käufer zu verlieren. Spätesten durch die Corona-Pandemie ist dieser Effekt, der durch Webshops schon früh Einzug in den B2C-Vertrieb gehalten hat, auch im B2B-Vertrieb angekommen.
Konkurrenz
Globalisierung
Doch nicht nur die Beziehungen zu den eigenen (potenziellen) Kunden verändern sich durch die Digitalisierung nachhaltig, auch die Unternehmenskonkurrenz weist eine zunehmend andere Gestalt auf. So treten im Zuge der Globalisierung neue Player in den Markt ein, die ohne Online-Shops und Internet nicht in Reichweite des eigenen Kundenstamms gelegen hätten.
Vergleichbarkeit
Gleichzeitig führt die Verfügbarkeit von Vergleichsportalen zu einem stärkeren Druck auf Unternehmen, da sie einfacher und häufiger in einen direkten Vergleich zu Mitbewerbern gesetzt werden können. Anbieter unterliegen auch dadurch im digitalen Vertrieb einem hohen Anpassungsdruck von Angebot und Service.
Technik
Personalisierung und Automatisierung
Zuletzt stellen auch die sich ständig verändernden technischen Möglichkeiten den modernen Vertrieb häufig vor Schwierigkeiten und Herausforderungen. Kunden erwarten im digitalen Zeitalter eine personalisierte Ansprache, die ihre individuellen Bedarfe in den Mittelpunkt des Verkaufsgesprächs stellt. Eine repräsentative Studie von Actico ermittelte sogar, dass 41 Prozent der Befragten Angebote, die nicht auf sie persönlich zugeschnitten sind, als Zeitverschwendung ansehen.
Gleichzeitig kann kaum ein Unternehmen eine glaubhafte Personalisierung durchführen, ohne die eigenen Ressourcen übermäßig in Anspruch zu nehmen. Vertriebsabteilungen sind deshalb in der Regel auf den Einsatz von Automatisierungsprozessen angewiesen, die ihrerseits Expertise und Arbeitseinsatz erfordern.
Diverse Vertriebskanäle
Genau wie die Digitalisierung verschiedene Kanäle zur Ansprache von Unternehmen offeriert, bietet sie auch die Möglichkeit, Kunden auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Nahezu obligatorisch erscheint dabei der Online-Shop, doch auch das virale Marketing kann mithilfe digitaler Instrumente erfolgreicher gestaltet werden. Hinzu kommt die Generierung qualifizierter Erstkontakte, den Leads, die mit sogenannten Leadmagneten erreicht werden können.
Alle Vertriebskanäle müssen für eine moderne Vertriebsstrategie in Erwägung gezogen und im Zweifel in die Struktur der Sales-Abteilung implementiert werden. Es bleibt dabei gleichzeitig zu erwarten, dass sich hier auch in Zukunft Änderungen ergeben werden, sodass sich das Verkaufskonzept eher als dynamischer Prozess denn als starres Konstrukt verstehen lässt.
Verzahnung verschiedener Abteilungen
Durch die starke Angewiesenheit des Vertriebs auf die Leadgenerierung durch die Marketing-Abteilung, müssen die verschiedenen Teams im Unternehmen heute weit stärker zusammenarbeiten als noch vor wenigen Jahren. Zusätzlich setzen die Personalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen oft eine Beteiligung der IT voraus, die die notwendige technische Unterstützung liefert. Ständiges Feedback zwischen den Abteilungen ist für den Vertrieb im Zeitalter von Sales 4.0 folglich unabdingbar.
Möglichkeiten der Digitalisierung
Neben den Herausforderungen, vor die Unternehmen gestellt werden, bietet die zunehmende Digitalisierung dem modernen Vertrieb jedoch auch diverse Möglichkeiten, beispielsweise um Ressourcen zu schonen, Prozesse zu optimieren oder neue Kunden zu akquirieren. Dabei fällt auf, dass sich vor allem die oben genannten Schwierigkeiten häufig in Chancen verwandeln lassen.
Leadgenerierung
Obwohl die Dimensionen des World Wide Web die Gefahr bergen, zwischen den verschiedenen Angeboten unterzugehen, bieten sie doch auch eine gewichtige Chance für den Vertrieb des 21. Jahrhunderts. Nämlich die, dass jeder das eigene Unternehmen finden kann.
Geschickt angelegt, können dadurch Kundenströme direkt auf die eigene Unternehmenswebseite gelenkt und eine Leadgenerierung in Gang gesetzt werden. Die Leadmagneten selbst, die die frustrierende Kaltakquise des klassischen Vertriebs oft obsolet machen, setzen dabei in der Regel auf Prozesse der Digitalisierung wie beispielsweise virtuelle Showrooms, Webinare oder digitale sowie hybride Messen. Im Austausch für die eigene E-Mail-Adresse erhält der Kunde dabei Zugang zu exklusiven Angeboten des Unternehmens, die ihn persönlich weiterbringen. Eine digitale Kundenakquise stellt deshalb in der Regel eine Win-Win-Situation dar.
Personalisierung
Ähnlich wie bei der Leadgenerierung verhält es sich auch bei der Personalisierung: Obwohl Kunden immer häufiger eine individualisierte Ansprache fordern, erschließt die Digitalisierung dem Vertrieb auch immer wieder Möglichkeiten, die Customer Journey einfach und automatisiert auf jeden Interessenten einzeln zuzuschneiden. Eine solche Personalisierung erfolgt klassischerweise über eine personenbezogene Ansprache und Darstellung in E-Mail-Kampagnen, endet aber noch nicht hier.
Auch das Verkaufsgespräch selbst kann durch moderne Technologien im Rahmen von Sales 4.0 – paradoxerweise – zu einem sehr persönlichen Erlebnis werden. So kann ein sogenannter Sales Hub zu einem Treffpunkt für die Vertriebsmitarbeiter und ihre Kunden avancieren, der nicht nur einen individuellen Austausch, sondern auch die Etablierung eines Showrooms ermöglicht, der wiederum die Produkte und Philosophie des Unternehmens transportiert.
Schonung von Ressourcen
Virtuelle Showrooms, Verkaufsgespräche und Messen stellen nicht nur Möglichkeiten zur Leadgenerierung und Personalisierung dar, sondern sind auch Gelegenheiten, um Unternehmensressourcen einzusparen, die über klassische Vertriebswege verloren gehen. So erfordert der Außendienst in der Regel einen enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand, der mit langen Fahrzeiten sowie hohen Kosten für Firmenwagen und Kraftstoffe einhergeht.
Zusätzlich dazu hat die Corona-Pandemie einen weiteren Vorteil des Virtual Sellings deutlich zum Vorschein gebracht: nämlich das geringere Infektionsrisiko. Die Digitalisierung im Vertrieb senkt die Wahrscheinlichkeit von Autounfällen und krankheitsbedingten Ausfällen, da unnötige Anfahrten und physische Kontakte umgangen oder reduziert werden.
Skalierbarkeit und Automatisierung
Digitale Angebote haben im Vergleich zu ihren analogen Pendants den Vorteil, sich in der Regel schnell und unkompliziert skalieren zu lassen. Das gilt beispielsweise für große geographische Regionen, die Webshops heute deutlich schneller mit Produkten bespielen können als der klassische Vertrieb. Doch auch der Verkauf von Software führt dazu, dass Unternehmen oft in kurzer Zeit große Sprünge in den Kundenzahlen bewältigen können.
Gleichzeitig kann auch eine Vielzahl von Erstkontakten einfach bearbeitet werden, indem im Vorfeld eine Strategie zum Lead-Nurturing erarbeitet wird, im Rahmen derer die Nachbearbeitung von Interessenten für den Vertrieb automatisiert erfolgt. Der Vertrieb bekommt die Leads, die – ihrem Scoring entsprechend – als verkaufsbereit eingeschätzt werden erst in dem Moment übertragen, indem die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses als besonders hoch eingeschätzt wird.
Tracking und Big Data
Die Digitalisierung führt im gleichen Zuge generell zu einer stärkeren Verfügbarkeit von Daten und Informationen, die dem Vertrieb auf ganz verschiedene Weisen einen Mehrwert bieten können. So hilft die Verwendung von CRM-Systemen sowie von Software zur Marketing-Automatisierung dabei, Kontakte zentral zu verwalten, Angaben zu verschlagworten und Kampagnen zielgruppenspezifisch auszuspielen.
Große Datenmengen erlauben überdies genaue Analysen und Prognosen von Problemen in Lieferketten, dem Verhalten potenzieller Käufer oder dem Absatz von Produkten. In Kombination mit Tracking Software, stellen diese Informationen wertvolle Instrumente für moderne Vertriebsprozesse dar, um beispielsweise den idealen Zeitpunkt der Kundenansprache auszuwählen oder genau die Produkte zu thematisieren, die den Interessenten ansprechen.
Erfolgreiche Digitalisierung im B2C- und B2B-Vertrieb
Die Digitalisierung im Vertrieb kann von Unternehmen als eine Herausforderung, womöglich sogar als eine Bedrohung bestehender Strukturen gedeutet werden. Obwohl Umwälzungen und Veränderungen ein Teil dieses Prozesses sind, stellen die Neuerungen jedoch auch immer eine Chance dar, um den eigenen Verkauf modern zu gestalten und einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu erlangen.
Digitale Technologien beeinflussen sämtliche Vorgänge – vom B2B-Einkauf, über die Generierung von Leads bis hin zum Verkaufsgespräch und -abschluss – und die Verwendung ebendieser Techniken sollte für jedes Unternehmen individuell abgewogen werden. Wir hoffen, dass wir Sie ermutigen konnten, sich mit den Möglichkeiten zu befassen, die die Digitalisierung des Vertriebs Ihrem Sales Team bietet, sodass auch Sie von den Vorteilen eines modernen Vertriebs nachhaltig profitieren können.